73 Prozent Ballbesitz - Masse allein bringt’s nicht im Vertrieb

Ich bin Fußballfan. FC Bayern, ganz klar. Etwas, das mich in den letzten Monaten zunehmend nervt, sind Statistiken wie etwa Ballbesitz und Passquote (erfolgreich angekommene Pässe). Vermutlich wollen Reporter die aufkommende Langweile bei minutenlangem Ball-Hinundhergeschiebe überbrücken.

Beim Spiel SC Freiburg gegen Bayern München am 27.August etwa hatte Bayern laut kicker.de 73 Prozent Ballbesitz und eine Passquote von 88 Prozent. Trotz der (vermeintlichen) Überlegenheit ging das Spiel 1:1 aus. Denn letztlich gewinnt immer noch die Mannschaft, die die meisten erfolgreichen Abschlüsse macht.

Damit bin ich wieder beim Thema Vertrieb.

It’s a numbers game

Gerade bei der Kundenakquise herrscht immer noch die Überzeugung vor: Viel hilft viel. Wenn ich 100 Leute pro Tag anrufe, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich mehr Menschen erreiche. Nur die Frage ist, lohnt sich der Aufwand? Mache ich dadurch mehr Abschlüsse?

Frank Rumbauskas hatte in seinem früheren Vertriebsleben den Spitznamen Cold Calling Monster, Kaltakquise-Monster. Er trieb den Rat, der vielen neuen Vertriebsleuten gegeben wird, auf die Spitze. Er kontaktierte jeden Werktag 100 Leute, und er war erfolgreich.
"[...] I got leads – tons of leads! Yes, despite what you’ve heard from me about cold calling falling to get leads, I have to admit I was swamped with them. I was setting appointment after appointment, to the point where it was difficult to find enough time in the day for my 100 calls, but I always figured it out."
Nur: Es waren nicht die richtigen Leute.
"I failed miserably when I started in sales, not because I was a bad salesperson, but because I was spending my days as the 'cold calling monster' trying to rack up as many leads and as many appointments as possible, without regard to the quality of those leads."
Denn was nützt es, Leute anzurufen, die nicht das brauchen, was ich anbiete? Oder die, die sich nie entscheiden können? Wenn ich stattdessen nur 20 der Leute anrufe, die dann kaufen, bin ich trotz geringeren Aufwandes erfolgreicher.

Viele wissen aber gar nicht, wer diese Leute sind, heißt ihre optimalen Kunden sind. Wo sie zu finden sind. Welche Marketing- und Vertriebsmaßnahmen funktionieren. Sie tappen im Dunkeln. Und da helfen, zugegeben, Statistiken. Wenn ich 100 Leute anrufe, am Ende aber wenig Umsatz oder nur „schlechte“ Kunden dabei herauskommen, ist es besser, die Strategie zu ändern. Etwa zu schauen, wie die besten Kunden auf einen aufmerksam wurden, und dann seine Vertriebsbemühungen darauf zu lenken. Wenn die meisten meiner guten Kunden über Vorträge kamen, kann ich die die “Vertriebsaktivitäten” dahin lenken, mehr Vortragsslots zu kriegen.

Nach Empfehlungen fragen

Eine andere Frage ist: Wie kann ich ohne Mehraufwand den Erfolg steigern? Statt also die Gelben Seiten von A bis Z abzutelefonieren (oder Leute auf XING mit Kontaktanfragen zu bombardieren): Wie kann ich an mehr qualifizierte Leads kommen? Zum Beispiel E-Books gegen E-Mail-Adresse, Webinare, Vorträge halten, oder bestehende Kontakte um Empfehlungen bitten. Das sind nur ein paar Ideen.

Die Anzahl generierter Leads (das Pendant im Fußball wäre gewonnene Zweikämpfe), Passquote (Terminquote) und Torschüsse (Meetings mit potenziellen Kunden) sind also gute Indikatoren. Aber sie sagen nichts über Sieg oder Niederlage aus, sondern helfen lediglich, mögliche Schwachstellen zu identifizieren. Wenn ich also wenig nachhake, kaum Meetings mit potenziellen Kunden habe oder generell wenig Zeit mit Vertrieb (das wäre wohl der Ballbesitz) verbringe, kann das ein Grund sein, warum die Auftragslage nicht rosig ist.

Ein, zwei Konter

Dabei ist es oft gar nicht schwer, wenn man bei den richtigen Leuten anruft oder nachhakt. Wichtig ist, sich die Zeit zu blocken. Heißt etwa: Zwischen 16.00 und 18.00 Uhr sich ausschließlich um Akquise kümmern, am besten mittwochs und donnerstags. Das ist laut einer Studie die beste Zeit. Tipps, wie man sich bei früheren Kontakten wieder in Erinnerung bringt, gibt es in meiner Präsentation "9 Word Emails – Nachhaken leicht gemacht." (die Tonspur kommt demnächst).

Damals beim Bayern-Spiel reichte Freiburg ein paar Konter und am Ende stand es 1:1. Trotz der Dominanz. Übrigens knapp zwei Wochen später spielte Dortmund gegen den HSV. 56 Prozent Ballbesitz, 79 Prozent Passquote für Dortmund. Trotz der vermeintlich schlechteren Werte gewann Dortmund 6:2, vor allem sahen auch die Zuschauer ein tolles Spiel.

Wie gesagt: Die Masse allein genügt nicht, letztlich zählen nur die erfolgreichen Abschlüsse. Im Fußball wie auch im Vertrieb.