CRM sucks – Hürden im CRM-Universum

"CRM sucks". Das findet zumindest Justin Roff-Marsh in seinem Buch "The Machine". Warum eigentlich? Um diese Frage und wieso es mit einem CRM-Tool alleine noch nicht getan ist, drehte sich die Session "Hürden im CRM-Universum" auf dem ersten CRMcamp am 04. und 05. April 2014 in Köln. Es gab zahlreiche Antworten.

Software hat in den letzten Jahren nichts dazu beigetragen, die Produktivität im Vertrieb zu steigern. Dies behauptet zumindest Justin Roff-Marsh in seinem Buch "The Machine", hier der Link zum entsprechenden Buchkapitel "Technology (why CRM sucks!)":
"[...] there are many thousands of software applications promising to automate every step in the sales lifecycle, from the generation of sales opportunities through to the provision of management information. [...] The dirty secret of sales environments is that, with few exceptions, this technology has done nothing to improve productivity. Nothing!"
Auch wenn ich bezweifle, dass sich das belegen lässt, so spricht er doch vielen Nutzern aus der Seele, etwa beim Thema CRM. Vielerorts Frust statt große Lust CRM-Tools zu benutzen. Zwang statt Tatendrang.

In der Session "Hürden im CRM-Universum" auf dem #crmcamp von @janneicker und @netzmilieu ging es um eben diese Frage: Warum sind CRM-Tools nicht automatisch eine Erfolgsgeschichte im Unternehmen? Welche Hürden gibt es? Ich hatte leider nicht mitgeschrieben, sondern bemühe mein Gedächtnis bzw. gebe meine eigene Meinung wieder. Ergänzungen und Korrekturen sind willkommen.

1. Kosten

CRM-Tools sind nicht günstig. Das gilt umso mehr, wenn sie für den Einsatz in Teams vorgesehen sind und nicht nur Basisfunktionen wie Kontaktverwaltung anbieten, sondern auch Kampagnen-Management und umfangreiche statistische Auswertungen. Die Professional-Version von Salesforce mit "umfangreiche[n] CRM-Funktionen für Teams jeder Größe" etwa kostet 70 Euro, die Enterprise-Edition 135 Euro, pro Monat pro Nutzer versteht sich. Schnell kommt man in größeren Unternehmen auf mehrere Tausend Euro im Jahr, Einrichtung, Anpassung sowie zusätzliche Addons nicht mitgerechnet.

Da überlegt man sich, ob nicht ein günstigeres Tool reicht. Oder ob es wirklich alle Features braucht, auch auf die Gefahr hin, dass man sich Prozesse zurechtbiegt oder weiterhin mehrere, günstigere Tools nebenher im Einsatz hat.

2. Unternehmenskultur

CRM-Tools werden nicht nur vom Vertrieb genutzt werden, gerade in größeren Unternehmen. Kundenbeziehungs-Management sollte im Idealfall Marketing, Vertrieb, Kundenbetreuung, After-Sales, Produkt-Management einschließen. Nur diese, auch als 360-Grad gepriesene Kundensicht ist in vielen Unternehmen eine Illusion (und war Thema einer anderen Session von Oliver Ratajczak). Zu unterschiedlich die Interessen, neudeutsch Agenden.

3. Vertriebsprozesse

Es ist eine Sache, ein Tool zu haben, um Vertriebsprozesse zu optimieren, eine andere diese Prozesse an das Tool anzupassen. Hier berichtete ein Teilnehmer aus der IT-Abteilung von seiner Erfahrung, dass die am CRM beteiligten Abteilungen darauf bestanden, zahlreiche, abteilungsspezifische Formularfelder hinzuzufügen. Das Ergebnis: eine Eingabemaske, die gerade für neue Mitarbeiter unübersichtlich und schwer nachvollziehbar war. Mittlerweile ist die IT-Abteilung dazu übergegangen, viele dieser Felder wieder zu löschen, sie wurden nie benutzt. Sicherlich kein Einzelfall.

Stellt sich also die Frage: Kennen die Unternehmen ihre eigenen Prozesse und wissen sie, welche Daten wichtig sind? Oder versucht man häufig nicht eher, liebgewonnene Tools irgendwie in einem CRM-Tool unterzubringen, ohne zu hinterfragen: Brauchen wir all die Daten/Abläufe wirklich? Gerade bei der Einführung eines Tools wäre dieser Reflektions- und Evaluationsprozess eine große Chance.

4. Einführung eines CRM-Tools

Ich habe zwei Mal die Einführung eines CRM-Tools miterlebt, zugegeben bei kleineren Unternehmen. Zu Beginn gab es einen Evaluationsprozess, aber letztlich war es zumindest einmal eine Schnellschussaktion mit vorhersehbarem Ergebnis: Vertriebsabläufe wurden zurechtgebogen, um in einem für die Anforderungen ungeeigneten Tool zu funktionieren. Wenn nun auch noch andere Abteilungen involviert sind, stelle ich mir die Aufgabe, ein Tool zu finden, mit dem alle leben können, schwierig bis unmöglich vor. Endergebnis: Eine Entscheidung von "oben", die auf Widerstand von "unten" stößt mit der Folge, dass das Tool mit Widerwillen benutzt wird.

Die Preisfrage lautet: Wie gelingt es, dass die Mehrheit der Nutzer mit der Entscheidung zufrieden sind/sich involviert fühlen, um zu verhindern, dass Tools schon vor ihrer Einführung bei den Nutzern durchgefallen sind? Das ist auch wichtig für die nächste Hürde.

5. Datenpflege

Letztlich hängt die eingangs erwähnte Produktivitätssteigerung, besser gesagt die fehlende, davon ab, wie sehr das Tool im Alltag genutzt und die Daten (ein)gepflegt werden. Denn das kostet Zeit und ist mühselig.

Außerdem: Möchte ich all mein Wissen dokumentieren oder zumindest wichtige Informationen nicht lieber für mich behalten? Eine verbreitete Denkweise bei Vertriebsmitarbeitern.

Gleichzeitig kommt hier die nächste Hürde zum Tragen: messbar zu sein.

6. Mitarbeiterbewertung

CRM-Tools liefern, zumindest für die Führungsebene, wunderbare Möglichkeiten, die Performance zu messen. Für die wenigen Top-Vertriebsleute im Unternehmen kein Problem. Nur was ist mit den Leuten, die nicht "ihre Leistung bringen"? Wenn jedes Telefonat, Kundenmeeting gezählt und zur Bewertung herangezogen wird, führt es nicht dazu, Dinge zu beschönigen oder Sachen wegzulassen?

Fazit: Is it you?

Dies waren ein paar Punkte, die wir in der 45-minütigen Session diskutierten. Wie man sieht gibt es einige Hürden. Dazu passt die ketzerische Frage, die in einem Forbes-Artikel "11 Terrible CRM Systems For Your Company" gestellt wurde:
"So is your CRM system terrible? Or is it you?" 
Meine Antwort nicht erst seit dieser Session lautet: You.

Zu oft werden Tools eingeführt und erst hinterher überlegt, wie die Vertriebsprozesse darin abgebildet werden können. Abteilungs- und Besitzstandsdenken, Bequemlichkeit (Datenpflege) wie auch die Angst messbar zu werden, sind Dinge, die verhindern, dass CRM-Tools zur Produktivitätssteigerung beitragen oder sich großer Beliebtheit erfreuen. Selbst ansprechende Designs, durchdachte Interfaces oder unzählige tolle Features werden daran nichts ändern. Für viele gilt nach wie vor: "CRM sucks." Wie sich das ändern lässt, das ist die große Frage, auf die ich (noch) keine Antwort habe ;-)

Das wichtigste zum Schluss:

An dieser Stelle ein großes Dankeschön an @janneicker und @netzmilieu für die tolle Session. Außerdem ein dickes Lob an die Organisatoren @zeniscalm @ManuMarron und @hirnrinde. Nicht zu vergessen die Sponsoren: @tlgg und @BWjetzt – vielen Dank für die Unterstützung!