Kundenorientiert: Mehr Aufmerksamkeit! Was das Schild einer Obdachlosen lehrt

Jemand, der immer nur an sich denkt, der seine Sätze mit "Ich will, ich, ich, ich ..." anfängt, stößt uns ab. Warum machen wir es trotzdem im Vertrieb und Marketing? Das Beispiel des Pappschildes einer Obdachlosen zeigt, dass es besser ist, immer zuerst an den anderen zu denken. Sie bekam innerhalb von zwei Stunden so viel Dollar, wie sonst an einem Tag.

Ich muss zugegeben, dass es mir zunächst schwerfiel, einen Zusammenhang zwischen Marketing und den Pappschildern von Obdachlosen zu sehen. Der Blogpost von Chris Gallo "What the Homeless can Teach You about Writing Your Resume" hat mich daher neugierig gemacht. Er berichtete darin von einem Experiment, das Simon Sinek, Autor von "Starting with Why", durchgeführt hat. Er formulierte das Pappschild einer Obdachlosen um, von Ich-bezogen auf Du-bezogen. Pappschilder sind, wenn man so will, nichts anderes als eine Werbebotschaft, die Menschen dazu veranlassen soll, eine kleine Spende zu geben.

Hier die beiden Schilder: 

Quelle: https://medium.com/career-pathing/5a0ebaa1f670

Das Ergebnis:

Die obdachlose Frau bekam an einem "normalen" Tag, acht bis zehn Stunden, zwischen 20 und 30 Dollar mit Schild A.

Durch die Änderung hatte die Frau bereits nach zwei Stunden 40 Dollar. Wie viel mehr sie hätte machen können, konnte leider nicht ermittelt werden. Für sie waren 40 Dollar genug, der "Arbeitstag" damit beendet.

Aber warum gaben die Menschen so viel mehr? Simon Sinek dazu in seinem Blogpost:
"For starters, it didn't talk about her. Like so much bad marketing out there, her original sign tried to sell based on facts and details about her without considering why anyone would give to her in the first place."
Was können wir davon lernen? Der Beaker-Faktor
"Companies are no different. They offer features and benefits, facts and figures, everything they think we need to know about their product or service to encourage us to buy. [...] But why should we care? They've spent most of their time and energy telling us about them without saying a single word about us."
Ich nenne das den Beaker-Faktor in Anlehnung an die Figur aus der Muppet-Show. MiMiMiMi, je nach Nervosität langsamer oder schneller gesprochen, war in etwa der Wortschatz des Assistenten von Prof. Dr. Honigtau Bunsenbrenner. Klingt für mich wie "Me, me, me" zu deutsch "ich, ich, ich" oder bezogen auf Unternehmen: Wir, wir, wir.

"Wir sind Marktführer. Unser Produkt hat 929 außerordentliche Features ... Wir sind seit Jahren am Markt ..." Blablabla

Ein Paradebeispiel dafür, wie "schlimm" das werden kann, liefert die Mutter aller Imagefilme. Beispielsweise der Satz: "Wir sind ein Unternehmen für den Kunden."

Ich bekenne mich schuldig. Ich habe unzählige Texte mit sehr hohem Beaker-Faktor verfasst.

Nur wie geht es besser? Power Statements

Auf einen sehr guten Vorschlag, wie Marketingtexte zukünftig mehr wie Schild B klingen können, bin ich in einem wenig naheliegenden Buch gestoßen: einem über Kaltakquise: "New Sales. Simplified" (hier meine Rezension). Der Autor, Mike Weinberg, nennt das ganze Power Statements.

Statt Unternehmens- oder Vertriebspräsentationen mit "We make" oder "We do this, that and the other thing" zu beginnen, schlägt er folgende Einleitung vor: "Clients turn to us ...“, „Kunden kommen zu uns, wenn sie ...“ und dann wird aufgezählt, mit welchen Problemen die Kunden zu kämpfen hatten. Bei Trainern, Freelancern, Coaches könnte die Einleitung lauten: "Kunden holen mich an Bord, wenn sie ..."

Das klingt besser als "Ich bin Vertriebscoach und eigentlich kann ich alles". Nichts anderes steht letztlich in Marketingtexten, viel Lärm um Nichts.

Einen Versuch sind Power Statements wert, denn die meisten nervt dieses Buzzword-Bullshit-Bingo. Und wer weiß, vielleicht ergeht es einem dann wie dieser obdachlosen Frau: Endlich mehr Aufmerksamkeit, die Kunden fühlen sich angesprochen. Heißt Marketing, das mit deutlich weniger Aufwand funktioniert.