Nicht die Lösung - warum viele eigentlich kein CRM-System brauchen


Braucht es wirklich ein CRM-System?

Nein. Was die meisten meiner Leser eigentlich wollen, ist eine Kontaktverwaltung, kein CRM-System. Das ist für viele das gleiche. Das Bild, das mir dazu einfällt, ist: Die meisten wollen ein gutes Pferd. Stattdessen kaufen sie ein Auto und sind damit zufrieden, dass es so schnell ist wie ein Pferd. Die wenigsten nutzen das Potenzial wirklich aus.

Bevor jetzt wütende Proteste über mich hereinbrechen: CRM, Kundenbeziehungsmanagement, ist für mich vor allem eine Denkweise, eine Einstellung. CRM heißt für mich, Spaß und Interesse daran zu haben, seine Kontakte/Kundenbeziehungen zu pflegen. Es nicht nur als lästige Pflichtaufgabe zu betrachten, als Mittel zum Zweck.

Fahrrad-Jochen – Meister im CRM


Wie CRM in "Perfektion" aussehen kann, habe ich zum ersten Mal bei Jochen erlebt. Er war und ist ein Meister auf dem Gebiet.

Als ich ihn kennenlernte, hatte er einen Fahrradladen. Der war Anlaufpunkt für viele Leute. Sie brauchten nicht immer ein Rad oder Ersatzteile. Jochen vermittelte auch (kostenlos) Wohnungen oder Jobs.

Wenige Jahre später erlebte ich ihn als "Rentner", der immer noch Räder vertickte. Ich saß eine Stunde lang neben ihm im Café und war einfach nur fasziniert. Er rief einen früheren Kunden an, fragte ihn, ob er nicht ein neues Rad bräuchte. Das alte Rad nahm er in Zahlung. Dann rief einen weiteren Kontakt an und verkaufte ihm das "alte" Rad. Mit Erfolg. Es waren fünf oder sechs Räder, die den Besitzer wechselten, während er mit mir Kaffee trank. Unhöflich? Nein, für mich war es eine wahre Freude, ihn in Aktion zu erleben. Niemand fühlte sich über den Tisch gezogen, keiner legte wütend auf. Im Gegenteil, alle freuten sich über ein neues Rad und dass Jochen an sie gedacht hatte.

CRM-System? Kundenkartei? Fehlanzeige!

Alles, was Jochen hatte, waren sein phänomenales Gedächtnis und ein Handy.

Warum ich die Geschichte erzähle?

Jochen kümmert sich um seine Kunden. Das ist einer der Gründe, warum es ihm so leicht fällt, Räder an den Mann oder die Frau zu bringen. Mich ruft er auch ab und zu an und fragt, wie es läuft. Manchmal hat er auch ein Rad im Angebot. Er betrachtet das nicht als lästige Pflicht, im Gegenteil, er hat Spaß daran. Das macht viel aus.

Was bringt also ein CRM-System?

Nicht jeder hat ein phänomenales Gedächtnis. Spätestens wenn man im Team arbeitet, ist eine zentrale Kontaktverwaltung wichtig, um nicht den Überblick zu verlieren.

Ein Tool kann daher eine Gedächtnisstütze sein: "Stimmt, bei Jochen habe ich mich schon lange nicht mehr gemeldet." Und helfen, Kontakte systematischer anzugehen. Das heißt, wer hat in den letzten zwei, drei Jahren ein Rennrad gekauft und könnte Lust auf ein neues haben?

Ein Tool kann außerdem helfen, Vertriebsaktivitäten zu analysieren. Hier ein Beispiel von RAYNET Cloud CRM: "Open Deals by Stage" (mein ausführlicher Testbericht):

Report "Open Deals by Stage" von RAYNET Cloud CRM

Schwächen aufdecken

Ein CRM-Tool löst zunächst keine Vertriebsprobleme, was ja insgeheim die Hoffnung von vielen ist: Endlich gehen wir mal systematischer vor, endlich machen wir Vertrieb "professioneller". Stattdessen werden erst einmal Schwächen aufgezeigt. Wie selten man sich bei seinen Kontakten wirklich meldet. Wie oft man lieber Daten einpflegt oder mit Reports "rumspielt", als den Hörer in die Hand zu nehmen. Wie oft Vertrieb eher "wenn mal Zeit ist" statt "ich nehme mir die Zeit".

Meine Erfahrung ist, dass sich viele mit der Einführung einer CRM-Lösung überhaupt Gedanken machen, wie sie den Vertrieb besser oder überhaupt organisieren können. Und sie erkennen, wie viele Kontakte sie eigentlich haben. Daten, die vorher in irgendwelchen Excel-Listen verschwunden sind.

Hilfreich ist in dem Zusammenhang auch: Was ist für mich ein Lead, wen betrachte ich als Kunden? Es lohnt, sich darüber ausführlich Gedanken zu machen. Die meisten Systeme haben nämlich unterschiedliche Kontakttypen. Leads sind bei RAYNET "a record about a contact or an account that cannot be accurately categorised." Dazu zählen auch Anfragen. Bei Workbooks sind Leads alle Kontakte, die noch nicht qualifiziert wurden. Für Apptivo sind es potenzielle Kunden. Nicht näher qualifizierte Kontakte heißen dort Targets.

Aber um zur Ausgangsfrage zurückzukommen: Braucht es ein CRM-Tool?

Wenn du eigentlich nur deine Kontakte an einer zentralen Stelle verwalten willst, dann reicht eine einfache Kontaktverwaltung. Das können viele kostenlose CRM-Tools, da brauchst du nicht groß suchen. Interessant ist da höchstens die Frage: Wie viele Kontakte sind in der Freeversion enthalten?

Kontaktverwaltung ist zwar super, CRM-Tools können deutlich mehr.

Wer bereits ein CRM-System im Einsatz hat, kann sich ja mal fragen, ob er dessen volles Potenzial wirklich nutzt.

Wer gerade auf der Suche ist, kann sich überlegen: Woran hakt es bei uns im Vertrieb? Was läuft noch nicht gut?

Vergeht beispielsweise zu viel Zeit, bis du dich bei Kontakten meldest, könnte ein entsprechender Hinweis im Tool nützlich sein. RAYNET oder Contactually (Bucket-Feature) machen das gut.

Beispiel aus RAYNET

Organisierst du regelmäßig Events/Webinare/Trainings und arbeitest noch mit einer Excel-Liste? Dann könntest du von einem "Kampagnen"-Feature profitieren, wie etwa Workbooks es hat (Erklärvideo, mein ausführlicher Testbericht).

Oder möchtest du dich vor allem auf die Sales Pipeline konzentrieren. Zum Beispiel Auswertungen darüber haben, wie lange es dauert, bis ein Auftrag zustande kommt? In dem Fall schau dir pipedrive an (rechter Screenshot). pipedrive zeigt dir auch, wie viele Kontakte du jeweils in der Pipeline hast, wie hoch die Konversion ist.

Das sind nur ein paar Beispiele.

Welches Tool kann ich also empfehlen?

Die Frage wird mir oft gestellt. Ich kann sie so pauschal nicht beantworten. Meine Empfehlung: Schau nicht nur, welche Features es hat. Achte vor allem auf die kleinen Details, die im Vertriebsalltag hilfreich sein können. Also statt: "Was kann das Tool alles?", überleg: "Wobei könnte es mich unterstützen? Was sind meine 'Schwächen'?" Und die sind individuell. Deshalb kann ich nicht verallgemeinern und sagen: Dieses Tool kann ich jedem empfehlen.

In eigener Sache:

Falls du gerade überlegst, ein CRM-Tool einzuführen, kann ich dich gerne beraten. Das heißt, welche Lösung für dich und dein Unternehmen in Frage kommt, worauf du bei einem CRM-Tool achten solltest.Bei Interesse, einfach melden.

In diesem Sinne: Ich mach mich mal wieder ans Testen. Ich habe ja noch ein paar Systeme vor mir. Inzwischen habe ich noch weitere Vorschläge bekommen.

Foto: Emmanuel Huybrechts auf Flickr (Lizenz CC BY 2.0)