Jeinsager


In letzter Zeit hatte ich bei ein paar Telefonaten zugehört und mir währenddessen gedacht: Warum sagst du nicht einfach, dass du kein Interesse hast, das würde uns allen – Vertriebler wie dir selbst – Zeit sparen.

Die größte Furcht, die viele im Vertrieb haben, ist das Nein, die Absage, die Ablehnung. Das ging mir anfangs auch so, bis mir klar wurde: Das Schlimmste, das dir im Vertrieb passieren kann, ist hingehalten zu werden, über Tage, über Wochen. Damit ist niemandem geholfen. Und mit ein Grund sind Leute, die am Telefon einfach nicht Nein sagen wollen oder können.

Erst neulich hatte ich Gespräch angehört, das jemand am Nebentisch im Zug geführt hat. Das lief in etwa so (das Gegenüber hatte ich nicht gehört, hier interpretiere ich einfach mal).
Tischnachbar: [...] Nein, wir arbeiten grundsätzlich nicht mit Freelancern.

Vertriebler: Darf ich Ihnen trotzdem mal unser Portfolio schicken?

Tischnachbar: Können Sie machen, aber, wie gesagt, wir machen beschäftigen keine Freelancer.

Vertriebler: An welche Adresse soll ich Ihnen unsere Infos schicken?

Tischnachbar: ....

Vertriebler: Wann soll ich mich noch mal bei Ihnen melden?

Tischnachbar: Wie gesagt, wir arbeiten nicht Freelancern zusammen.

Vertriebler: Darf ich mich trotzdem noch mal melden?

Tischnachbar: Ja, klar.

Aus reiner Neugier hatte ich den Tischnachbarn daraufhin angesprochen.

"Ich komme aus dem Vertrieb und hab Ihrem Gespräch zugehört. Warum haben Sie demjenigen nicht abgesagt? Es klang so, als ob Sie kein Interesse haben, aber einfach ein zu freundlicher Mensch sind, um Nein zu sagen."

Er musste lachen und meinte, dass er sich das schon mal anschaut, aber in 9 von 10 Fällen nicht mehr reagiert, wenn er nochmal angerufen bzw. angeschrieben wird.

Ich meinte, dass das "Schlimmste", das man einem Vertriebler antun kann, ist, keine klare Antwort zu geben, Sachen aussitzen, vertrösten. Mit Absagen kann man leben, aber hingehalten werden, ist nicht schön.

Danach wollte ich nicht weiterbohren, warum er beim Follow-up nicht einfach sagt "Kein Interesse", denn ein guter Vertriebler ruft danach ein, zwei, drei Mal an, um eine Antwort zu kriegen. Meine Theorie: Die Angerufenen sind:

  • entweder zu höflich
  • wissen nicht so recht, was sie brauchen
  • wollen den anderen schnell loswerden, indem sie Ja sagen (obwohl sie kein Interesse haben)
  • haben selbst Angst vor Ablehnung (gerade beim Follow-Up)

Dass man nicht beim ersten Anruf nicht gleich Nein sagt, sondern erst schaut, was der andere anbietet, kann ich verstehen. Aber wenn der sich wieder meldet und man immer noch rumeiert oder sich verleugnen lässt, das finde ich tatsächlich seltsam.

In diesem Sinne: Mach dir und anderen das Leben leichter, indem du Nein statt Jein sagst.

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Foto: unsplash-logoAndy Tootell