Stoizismus im Vertrieb – was man von den alten Römern lernen kann


Stoisch im Vertrieb? Wie geht das zusammen? Ziemlich gut, wenn man sich von der Bedeutung nichts tun, zurücklehnen bzw. abwarten löst. Dann kann man manches von Seneca oder Mark Aurel für den Vertriebsalltag mitnehmen.

Wie es zu diesem Artikel kam


Ich lese schon länger den Newsletter von DailyStoic.com und kann ihn wärmstens empfehlen. Ein Blogartikel auf Pipedrive hat mich dann auf die Idee gebracht zu überlegen, warum eine stoische Herangehensweise an den Vertrieb sinnvoll ist.

Was ist Stoizismus?


Der Stoizismus geht auf Zenon von Kition, 300 vor Christus zurück und ist geprägt von Gelassenheit und Gleichmut gegenüber den äußeren Umständen.
"[...] Jeder sollte [...] "seines Glückes Schmied sein". Um dies zu erreichen, empfahlen die Stoiker, sich ganz auf die eigene Seele zu konzentrieren und alles Äußerliche, also etwa Reichtum, Macht, Ansehen, aber auch Gesundheit, ja sogar den Tod als gleichgültig anzusehen. Die Seelenruhe und Gelassenheit, die aus einer solchen Haltung erwächst, war für die Stoiker die höchste Form des Glücks." Quelle

Bekannte Vertreter der stoischen Philosophie sind Seneca, vom Latein-Unterricht bestens bekannt, der römische Kaiser Mark Aurel und Epiktet, ein römischer Sklave, der nach seiner Freilassung viele Jahre Vorlesungen zur stoischen Lebensweise hielt.

Von Epiktet stammt auch folgendes Zitat:
"Einige Dinge stehen in unserer Macht, andere hingegen nicht. In unserer Macht sind Urteil, Bestrebung, Begier und Abneigung, mit einem Wort alles das, was Produkt unseres Willens ist. Nicht in unserer Macht sind unser Leib, Besitz, Ehre, Amt, und alles was nicht unser Werk ist. Was in unserer Macht ist, ist seiner Natur gemäß frei, kann nicht verboten oder verhindert werden; was aber nicht in unserer Macht steht, ist knechtisch, kann verwehrt werden, gehört einem anderen zu."

Es gibt Dinge, die wir kontrollieren können, andere nicht. Das griff auch eingangs erwähnter Artikel im Pipedrive-Blog auf:

"Focus on the Activities You Control – Not the Results You Can’t Control"
"[...] You can do everything right, but you simply can’t control the mind of your prospect. Sure, there are ways to improve the chance that people want what you’re selling by leveraging cognitive bias. You can even train your sales team’s soft skills and work on improving your sales conversations to give yourself a better chance at closing more deals.

But the result is not in your control.

Leads may just decide not to buy.

Even if you did everything at the top of your game – some prospects will not pull the trigger.

But what if you’re losing leads through the things that you can control?

That’s a huge problem."

Was in deiner Macht steht


Der Autor spricht einen wichtigen Punkt an: Im (Vertriebs)alltag vergessen wir allzu oft, dass wir auf viele Dinge letztlich keinen Einfluss haben, zum Beispiel Entscheidungen des Kunden oder die Konjunktur. Es bringt nichts, sich darüber zu beklagen. Denn es gibt genug Sachen, die du beeinflussen kannst:

  • sich regelmäßig bei Kunden/Kontakten zu melden
  • rechtzeitig nachzufassen
  • Angebote rechtzeitig zu verschicken
  • neue Kontakte anzusprechen
  • andere auf unsere Angebot aufmerksam zu machen (und nicht davon auszugehen, dass das jeder weiß)
  • regelmäßig zu reflektieren, was läuft gut,was läuft schlecht
  • sich auf Meetings/Telefonat vorzubereiten
  • sich weiterbilden/kontinuierlich daran zu arbeiten besser zu werden
  • von anderen lernen

Das sind nur ein paar Aktivitäten. Nachfolgend noch ein paar Gründe, woran es häufig scheitert, Dinge, die wir kontrollieren könnten. Über sie habe ich oft geschrieben, aber manchmal hilft es, das Ganze noch einmal aus einem anderen Blickwinkel, in dem Fall stoisch, zu betrachten.


Angst vor dem Nein


Viele bremst die Angst vor dem Nein, der Absage aus. Sie sorgt dafür, dass wir uns beispielsweise nicht rechtzeitig melden, zu niedrige Preise ansetzen (über die wir uns dann hinterher ärgern) oder uns bei früheren Kunden nicht melden (aus Angst, ihnen auf den Nerven zu gehen).
"Es sind nicht die Dinge, die uns beunruhigen, sondern die Meinungen, die wir von den Dingen haben." Epiktet
Ein endgültiges Nein kannst du nicht beeinflussen, deine Reaktion darauf allerdings schon: nicht frustriert sein, weitermachen.

Was ich erst im Laufe der Zeit begriffen habe: Das schlimmste, das einem im Vertrieb passieren kann, ist nicht das Nein. Viel schlimmer ist es, hingehalten zu werden. Nicht zu wissen, ob es klappt oder nicht. Mit einem Nein kannst du dich anderen Kontakten zuwenden und musst nicht wieder und wieder nachfassen. Vielleicht hilft auch das Zitat Churchill.


Keine Zeit


Ein weiterer Grund, warum Vertrieb gerade bei kleineren Unternehmen auf der Strecke bleibt: fehlende Zeit. Aber stimmt das wirklich?
"Nein, nicht gering ist die Zeit, die uns zu Gebote steht; wir lassen nur viel davon verloren gehen. Das Leben, das uns gegeben ist, istlang genug und völlig ausreichend zur Vollführung auch der herrlichsten Taten, wenn es nur von Anfang bis zum Ende gut verwendet würde; aber wenn es sich in üppigem Schlendrian verflüchtigt [...]"  Seneca in "Von der Kürze der Zeit"

Ich muss erst ...


Worüber ich in diesem Blog auch schon oft geschrieben habe: Wir können erst loslegen, wenn bestimmte Dinge erfolgt sind (die Webseite ist aktuell, ein Flyer gedruckt ...) Bei manchen Dingen lasse ich mir das eingehen, aber meist ist das ein Vorwand bzw. auch wieder die Angst vor Ablehnung.

Sieh das Fehlen von Flyer als Chance. Durch Gespräche mit potenziellen Kunden merkst du, was sie wirklich interessiert. Das kannst du später dann in die Texte einfließen lassen.
"Denke lieber an das, was du hast, als an das, was dir fehlt! Suche von den Dingen, die du hast, die besten aus und bedenke dann, wie eifrig du nach ihnen gesucht haben würdest, wenn du sie nicht hättest." Mark Aurel

Reflektion


Wichtig waren Stoikern wie Mark Aurel auch das Reflektieren der eigenen Handlungen. Seine Selbstbetrachtungen liefern uns heute noch wichtige Einblicke in sein Denken und Handeln.

Was lief gut, was lief schlecht? Was solltest du verbessern? Über welche Kanäle wurden Kunden aufmerksam?

Es gibt so viel, über das man auch im Vertriebsalltag reflektieren sollte, nur fehlt die Zeit, die Muse. Damit man man sich das Leben unnötig schwer, weil zu viel Zeit mit Dingen verschwendet, die keinen Erfolg bringen oder schneller erledigt werden könnten.
"Es steht dir frei, zu jeder Stunde dich auf dich selbst zurückzuziehen. Gönne dir das recht oft, dieses Zurücktreten ins Innere und verjünge so dich selbst." Mark Aurel

Machen!


Für Stoiker war/ist das praktische Anwenden der Lehre entscheidend, nicht nur über erstrebenswerte Verhaltensweisen zu philosophieren. Auf den Vertrieb angewendet: Was bringt dir das beste CRM-Tool, wenn du keine Kundengespräche führst? Wozu all die Blogartikel lesen, wenn du nicht zum Hörer greifst?

Dazu ein Zitat von Miep Gies, die mithalf Anne Frank zu verstecken (sie ist keine Stoikerin, aber handelte laut Daily Stoic wie eine):
"[...] any attempt at action is better than inaction. An attempt can go wrong, but inaction inevitably results in failure." 
Oder wie mein früherer Fußballtrainer Michael es immer so treffend formuliert hat:
"Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren."

Zum Schluss noch eine Erinnerung:
"Es ist dumm, sich über die Welt zu ärgern. Es kümmert sie nicht." Mark Aurel

PS: Mir ist bewusst, dass ich ein Laie auf dem Gebiet der Philosophie bin und es bestimmt Dinge gibt, die man in diesem Artikel gerade im Hinblick auf Stoizismus ergänzen sollte. Falls mir grobe Schnitzer unterlaufen sein sollten, lass es mich wissen.


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Foto: Yonge, Charlotte Mary, (1823-1901) [Public domain], via Wikimedia Commons