Vertrieb anno 1917 – Erfolgsfaktoren im Vertrieb gestern wie heute


Kann es sein, dass wir trotz der vielen Tools, die uns heutzutage im Vertrieb & Marketing zur Verfügung stehen, wir weniger wissen als beispielsweise 1917? Oder weißt du, wie viel dir jeder Anruf/Kundenbesuch bringt?

Frank Bettger, Versicherungsvertreter, hat darüber ziemlich genau Bescheid gewusst, zumindest wenn man seinem Buch "Lebe begeistert und gewinne" glaubt – im Übrigen ein ziemlich unglücklicher Titel für "How I Raised Myself from Failure to Success in Selling".
"[...] Ich hatte 1.849 Kunden besucht. Mit 828 davon war ich ins Gespräch gekommen, ich hatte 65 Verkäufe abgeschlossen und meine Provision war auf 4.251,82 Dollar gestiegen. [...] Jeder Besuch hatte mir 2,30 Dollar eingebracht. [...] Zuerst kamen auf 29 Besuche 1 Verkauf, später stand das Verhältnis 1:25, dann 1:20, 1:10 und schließlich kam auf 3 Besuche ein abgeschlossenes Geschäft."
Das war so um 1917/1918 herum, genau steht das nicht im Buch, in jedem Fall also weit vor Computer-Zeiten. Es geht aber noch weiter und jetzt wird es, finde ich, richtig interessant:
[...] Meine Statistik zeigte mir, dass 70 Prozent meiner Verkäufe schon beim ersten Gespräch mit dem Kunden zustande kamen; 23 Prozent kamen beim zweiten Besuch zum Abschluss und 7 Prozent beim dritten und mehreren Besuchen. Aber: 50 Prozent meiner Zeit verbrauchte ich für diese 7 Prozent. [...] Alleine diese Erkenntnis ließ meinen Ertrag pro Besuch von 2,80 Dollar auf 4,27 Dollar ansteigen."
Ich behaupte, dass kaum einer meiner Leser so genau Bescheid weiß, mich eingeschlossen, und dabei wäre es doch heutzutage mit CRM-Tools ein "Leichtes", sich die Daten anzuschauen. Oder nicht?

Konzentrieren wir uns vielleicht auf die falschen Dinge bzw. wissen gar nicht, was unsere Erfolgsfaktoren sind? Erfassen wir das überhaupt? Oder ist es heute einfach schwieriger, weil man eben nicht mit einem Kundenbesuch einen Auftrag kriegt?

Wer war Frank Bettger? 


Vielleicht noch etwas zum Hintergrund, warum Frank Bettger so gewissenhaft war. Wer noch nie von ihm gehört hat, er zählt zu den erfolgreichsten Versicherungsvertretern in den USA, eine Wahnsinnsgeschichte, wie man sie dort liebt und gerne erzählt: vom gescheiterten Baseball-Spieler und später Versicherungsvertreter zum Millionär.

Frank Bettger wollte eigentlich seine Karriere als Vertreter schon an den Nagel hängen und im Büro seine Sachen zusammenpacken, als er folgende Ansprache von seinem Verkaufsleiter mithörte.
"Meine Herren, die ganze Verkaufsarbeit besteht im Grunde genommen aus einem einzigen Punkt: Kunden zu besuchen! Zeigen Sie mir einen einzigen Vertreter, der pflichtbewusst jeden Tag seine fünf Kunden besucht, ihnen seine Geschichte erzählt – und ich will Ihnen einen Mann zeigen, der nicht darum herumkommt, Erfolg zu haben!"
Wie gesagt, eine Geschichte, die man in Motivationsbüchern häufig liest. Frank Bettger stellte fest, dass er in der Vergangenheit schlicht und ergreifend zu wenig Kundenbesuche gemacht hatte und führte fortan Statistiken.

Nun aber zu den Erfolgsfaktoren, zumindest ein paar, als Anregung zum Nachdenken.

1. Follow-up


Frank Bettger stellte fest, dass sich mehr als drei Mal nachfragen überhaupt nicht lohnte. Nur, wie er schrieb, verbrachte er die Hälfte seiner Zeit damit, bei Leuten nachzufragen, die vermutlich nicht kaufen würden. Wie oft fragst du nach? Überhaupt? Was bringt es?

2. Umsatz / Life-time value


Wie viel Umsatz machst du durchschnittlich mit Kunden, gibt es Unterschiede bei den Branchen, Firmengrößen etc.

Die Frage ist auch deshalb wichtig, um zu entscheiden, ob und wie viel Geld du in die Gewinnung von Leads/Kunden steckst. Bei einem meiner Kunden beträgt der durchschnittliche Auftragswert 300.000 Euro, da kann sich ein Messeauftritt mit 20.000 Euro Kosten durchaus lohnen, wenn daraus drei Aufträge werden, so zumindest seine Überlegung.

3. Leads gewinnen


Er arbeitete insbesondere später mit Empfehlungen von Kunden und bei einer Quote von 1:3 (aus drei Gesprächen ein Abschluss), waren gar nicht so viele Kontakte nötig. Daher die Frage: Wie viele deiner Leads konvertieren und wie kannst du die Quote verbessern?

4. Empfehlungen


Ein Erfolgsfaktor können Empfehlungen sein. Zufriedene Kunden oder Bekannte empfehlen dein Produkt/deine Dienstleistung. Bei mir definitiv der Fall. Nur, wie oft bittest du darum?

Oder du schaust, wie werden die besten Kunden aufmerksam und verstärkst die Bemühungen in die Richtung, statt Zeit mit Dingen zu verschwenden, die wenig bis gar keinen Erfolg bringen. Ja, so einfach kann es manchmal sein.

5. Aktivitäten


Generell ist es interessant, die Aktivitäten, die man im Vertrieb & Marketing so unternimmt, genauer unter die Lupe zu nehmen: Was rechnet sich? Und vielleicht die Frage, die sich Frank Bettger gestellt hat und weshalb er anfing, Besuchsstatistiken zu führen, nachdem er nach einer anfänglichen Euphorie wieder nichts verkaufte.
"[...] Ich war wieder der gleiche Versager wie vorher. An einem Samstagnachmittag begab ich mich ins Büro, schloss mich in einen kleinen Konferenzraum ein, und während drei Stunden versuchte ich, mit mir selbst ins Reine zu kommen: 'Was ist los mit mir? Woran liegt es?'"
Seine Antwort, du kannst es dir denken: Er besuchte zu wenig Kunden.

In diesem Sinne: Was sind deine Erfolgsfaktoren? Worüber solltest du wirklich Statistiken führen, schonungslos und ehrlich, statt irgendwelche Ego-Ziele zu tracken wie Likes oder Retweets. Oder nur die bloße Zahl von Leads feiern, statt auch noch die Konversionsrate genauer unter die Lupe zu nehmen.


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